Alltagsintegrierte Sprachbildung/Sprachförderung im Kindergarten (3-6 Jahre)
Sprache ist der Schlüssel zur Welt. Durch Sprache können sich Kinder ihre Umwelt aneignen, sich ihr verständlich machen, ihre Bedürfnisse ausdrücken und selbstbestimmt Teil einer Gesellschaft werden. Dabei beinhaltet Sprache nicht nur den korrekten Gebrauch von Wörtern und Grammatik, sondern ist darüber hinaus viel mehr und vielschichtig. Sprache dient als Mittel zum Austausch mit anderen Menschen und dient der Identitätsbildung des Menschen als Mitglied sozialer Systeme. Sprache wird gebraucht um gedankliche Vorgänge zu ordnen und ist wichtige Voraussetzung für das Lernen an sich.
Die Entwicklung der Sprache ist bei jedem Kind sehr individuell, dies betrifft Tempo und die konkrete Vorgehensweise, wie es sich Schritt für Schritt Sprache aneignet. Sie ist eng mit allen anderen Bereichen der Entwicklung, z.B. Motorik, kognitive Entwicklung und/oder soziale Entwicklung des Kindes, verknüpft. Unsere Aufgabe ist es, die kommunikativen Signale der Kinder wahrzunehmen und zu entschlüsseln. Darüber hinaus initiieren und nutzen wir möglichst viele sprachbildende und sprachfördernde Situationen im Alltag und wollen so Sprache in bedeutungsvollen Handlungen lebendig und begreifbar im wahrsten Sinne werden lassen.
Um Kinder bestmöglich in der Entwicklung von Sprache zu begleiten und zu unterstützen, haben wir uns intensiv mit dem Konzept der „Alltagsintegrierten Sprachbildung“ des Deutschen Jugendinstituts beschäftigt[1]. Hierzu gehören insbesondere Erkenntnisse zur Entwicklung der unterschiedlichen Sprachbereiche in der frühen Kindheit und ganz besonders die Möglichkeiten, den Kita-Alltag als sprachbildende Instanz zu nutzen. Alltagsintegrierte Sprachbildung ist für alle Kinder in der Kita gleichermaßen wichtig.
Bei der alltagsintegrierten Sprachbildung legen wir Wert auf eine besondere Dialoghaltung allen Menschen in der Einrichtung gegenüber und insbesondere in Dialogen mit Kindern. Diese Dialoge sind feinfühlig und erweiternd. Feinfühlig bedeutet: sie sind voller Wertschätzung und Achtsamkeit den Signalen und Botschaften der Kinder gegenüber, um ihre Sprachfreude zu erhalten und ihnen die Aufmerksamkeit zuteil kommen zu lassen, welche sie benötigen, um sich selbst als selbstwirksame und sprachkompetente Wesen verstanden zu fühlen. Erweiternd bedeutet: wir setzen dem kindlichen Interesse entsprechend Impulse. Wir bieten den Kindern neue Wörter an und geben eine größtmögliche Vorbildfläche für Sprache. Im Alltag schaffen wir sprachbildende sowie sprachfördernde Situationen und Angebote, welche zum aktiven Sprachgebrauch anregen und viele Möglichkeiten geben, Sprache zu erleben. Das Lernfeld der Kinder ist wie auch in allen anderen Entwicklungsbereichen das Leben im Allgemeinen und vor allem die Beziehung und der Austausch zu und mit anderen Menschen. Die bewusste Gestaltung des Kita-Alltags und der Dialoge mit dem Fokus der Sprachbildung ist unser vorderstes Anliegen.
Hierfür einige Beispiele:
- Bei den Mahlzeiten lassen wir den Kindern Raum und Zeit für eigene aktive Spracherprobung, indem wir sie animieren, von ihren Erlebnissen zu erzählen und die Vorgänge der Mahlzeiten sprachlich begleiten.
- Das tägliche Wickeln oder An- und Ausziehen gibt den Rahmen für Sprachbildung, indem die Abläufe mit Sprache begleitet und gemeinsam im beziehungsvollen Kontakt erlebt werden.
- Musikalische Angebote und Bewegungsangebote bieten Gelegenheit, Sprache mit Bewegung und Emotionen zu verknüpfen, dies geschieht im Singkreis beim Singen von Liedern, Fingerspielen und Rhythmusspielen.
- Bilderbuchbetrachtungen sind immer dann sprachbildend und sprachfördernd, wenn das Kind nicht nur passiv teilnimmt, sondern immer wieder sich selbst und seine Ideen einbringen kann.
Erfassung der Sprachkompetenz - Sprachförderung für Kinder mit besonderem Förderbedarf
Mit der Änderung des KiTaG zum 01.08.2018 wurde den Kindergärten die Aufgabe übertragen, die Sprachkompetenz der Kinder spätestens im Jahr vor der Einschulung zu erfassen und ggf. eine differenzierte und individuelle alltagsintegrierte Sprachförderung durchzuführen.
Für die Gruppen des Kinderhaus e.V. bedeutet dies, dass sie sich bereits ab dem Eintreten des Kindes in die Kindertagesstätte durch regelmäßige Beobachtung, Reflexion und Dokumentation ein Bild der Entwicklungs- und Bildungsprozesse eines jeden Kindes machen. Bei der Beobachtung und Dokumentation wird die Sprachentwicklung berücksichtigt, so dass das Kind von Anfang an begleitet und gefördert werden kann.
Um die Sprachkompetenz der Kinder spätestens im Jahr vor der Einschulung zu erfassen, greifen die Kindergartengruppen des Kinderhaus e.V. auf erprobte und bewährte und für die jeweilige Kita passende Verfahren wie z.B. „Bildungs- und Lerngeschichten“ zurück und/oder eignen sich weitere Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren an. Das können z.B. Verfahren wie „Entwicklungsbeobachtung und -dokumentation (EBD)“, „Auf einen Blick!“ (die „Entwicklungsschnecke“), „BaSiK – begleitende alltagsintegrierte Sprachentwicklungsbeobachtung in Kindertageseinrichtungen“ oder „Sismik – Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen“ sein. Sollte bei einem Kind ein besonderer Sprachförderbedarf festgestellt werden, entwickeln die Fachkräfte gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten einen individuellen Förderplan, um das Kind bis zur Einschulung kontinuierlich und bestmöglich zu unterstützen und zu fördern. Wir legen Wert darauf, dass sich die sprachfördernden Situationen an den Interessen des Kinders orientieren und einen Bezug zum pädagogischen Alltag haben.
Alle Fachkräfte des Kinderhaus e.V. werden durch interne sowie externe Fortbildungen und AGs im Bereich Sprachbildung und Sprachförderung qualifiziert und geschult. Begleitende Maßnahmen, wie regelmäßige Reflexionstreffen mit den Fachberater*innen, ermöglichen einen Austausch, kollegiale Beratung und dienen der Erfassung weiterer Unterstützungs- sowie Fortbildungsbedarfe.
Sprache ist allgegenwärtig im Kita-Alltag. Wir wollen diese Zeit nutzen, allen Kindern feinfühlige und kompetente Begleiter im Erlernen und Erleben von Sprache zu sein.
[1] vgl. Jampert, K. u.a. (Hrsg.); Die Sprache der Jüngsten entdecken und begleiten, Schritt für Schritt in die Sprache hinein; Weimar/Berlin; 2011
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